Musik, die verbindet – Raphaela Gromes über ihr Engagement für die Ukraine
Warum die Cellistin nach einem Konzert in Kiew entschied, ihre Musik und ihre Plattform für die Ukraine einzusetzen, und wie sie mit Be an Angel Geflüchteten eine Stimme gibt.
Interview: Franziska Klün
Raphaela, woher rührt dein Engagement für die Ukraine? Was hat in dir den Wunsch geweckt, das Land in diesen schweren Zeiten unterstützen zu wollen?
Es war der Schock. Als der russische Angriffskrieg im Februar 2022 begann, konnte ich es kaum glauben: Ein so großes, etabliertes Land wie Russland, das ich als Musikerin schätze – ich bin mit Tschaikowsky, Schostakowitsch, Prokoffieff aufgewachsen – beginnt einen völkerrechtswidrigen Krieg in Europa. Ich war überzeugt gewesen, dass diese Zeiten vorbei sind. Als mir bewusst wurde, wie naiv ich war, war ich erschüttert. Ich begann sofort zu demonstrieren und zu spenden. Bei der Deutschlandtournee des ukrainischen Nationalorchesters besuchte ich ein Konzert und wurde daraufhin eingeladen nach Kyjiw zu kommen und dort zu spielen.
Das war im Dezember 2023. Wie einschneidend war dieses Erlebnis?
Ich war vorher noch nie in einem Land, in dem Krieg Alltag ist. Die Menschen sind an nächtliche Drohnenangriffe und Luftschutzalarme gewöhnt. Die Grundstimmung, die Anspannung und gleichzeitig die immense Herzlichkeit – ob auf der Straße, in Cafés oder im Orchester – all das hat mich tief beeindruckt. Nach meiner Abreise habe ich das Land und die Menschen richtig vermisst.
Und das Konzert – in welcher Erinnerung ist es dir geblieben?
Es war ein unvergessliches Erlebnis. Nach einem Angriff war zunächst unklar, ob wir überhaupt spielen können. Als der Luftalarm aufgehoben wurde, verspürte ich eine riesige Dankbarkeit, gemeinsam Musik machen zu dürfen. Ich liebe Musik schon mein Leben lang. Aber in dem Moment erlebte ich zum ersten Mal wirklich, welche intensive Kraft Musik entfalten kann – sie kann die Menschen in einem ganzen Saal miteinander verbinden und zu ihren tiefsten Hoffnungen und zur Menschschlichkeit zurückführen. Seitdem tue ich alles, was ich kann, um zu helfen.
„Ich möchte ihnen das Gefühl geben, dass sie nicht vergessen sind. Sie vermissen ihre Heimat und Kultur, und ich hoffe, dass sie durch das Orchester und die Musik ein Stück Heimatverbundenheit empfinden können. Ich will Aufmerksamkeit auf das Thema Ukraine lenken und zeigen, dass wir an ihrer Seite stehen.“
Wie hilfst Du?
Einerseits spiele ich als Musikerin ukrainische Musik, zum Beispiel auf meinem neuen Album – ich gebe damit der ukrainischen Kultur eine Plattform. Andererseits unterstütze ich durch Spenden und die Zusammenarbeit mit Organisationen wie Be an Angel.
Dein neues Album wurde gemeinsam mit dem Orchester eingespielt: Dvořáks Cellokonzert. Warum genau dieses Werk?
Dvořáks Cellokonzert ist episch – virtuos, voller mitreißender Lebensfreude und symphonischer Wucht. Ich dachte, wenn es etwas gibt, das Menschen aus ihrem Kriegsalltag reißen und ihnen eine Stunde voller Licht, Hoffnung und Trost schenken kann, dann ist es dieses Konzert. Dvořák schrieb es im Exil, in Sehnsucht nach seiner Heimat und für seine sterbende Schwägerin. Es ist ein hochemotionales Werk.
Die Erlöse spendest du zu 100% an Hilfsorganisationen wie unsere. Wie hast du die Organisationen ausgewählt?
Es ist mir wichtig, dass das Geld ankommt, wo es gebraucht wird und eine Verbindung zu den Organisationen besteht. Mit den SOS Kinderdörfern arbeite ich schon lange. Und Be an Angel bewundere ich für ihren Mut, regelmäßig selbst an die Front zu fahren, sich immer wieder ein Bild von der Situation vor Ort zu machen, die Menschen in Sicherheit zu bringen, sie in Deutschland oder in der Ukraine zu betreuen.
Welche Wirkung möchtest du mit der Zusammenarbeit erzielen?
Ich möchte Menschen motivieren, aktiv zu werden und zu helfen – sei es durch direkte Unterstützung oder Spenden. Jeder kann etwas bewirken. Gerade jetzt, wo viele sich ohnmächtig fühlen, will ich zeigen, dass jede Handlung zählt und wir gemeinsam etwas bewegen können.
Ist diese Tournee auch eine Kampfansage gegen das Ohnmachtsgefühl in der Gesellschaft?
Genau. Ohnmacht ist lähmend, und hier in unserer Demokratie können wir wirklich etwas tun. Wir leben in einem Land mit Meinungsfreiheit und Wohlstand und haben die Möglichkeit, Menschen zu unterstützen. Anstatt zu lamentieren, können wir aktiv werden und Verantwortung übernehmen.
Die Konzerte der Tournee werden mit dem Ukrainischen Nationalorchester gespielt, und wir von Be an Angel sind bei einigen Konzerten dabei. Worauf freust du dich am meisten?
Auf das Wiedersehen mit den Musikern des Orchesters, die ich regelmäßig kontaktiere, besonders nach schlimmen Angriffen. Diese Menschen liegen mir sehr am Herzen, und ich freue mich, sie hier wieder umarmen zu dürfen und die Magie der Musik zu feiern. Die Musiker haben eine repräsentative Funktion für die Ukraine, und spielen mit allem Herzblut – das ist ihre Art zu kämpfen. Die Soldaten kämpfen an der Front, das Orchester kämpft mit Musik für die Kultur ihres Landes. Es geht in jeder Sekunde um alles.
Dein Album und die Tour sind nicht nur ein musikalisches, sondern auch ein politisches Statement. Wie viel Aktivismus verträgt Musik?
Musik kann ein starkes Symbol der Solidarität sein, aber auf der Bühne zählt am Ende nur die Musik selbst. Ich wünsche mir, dass sie jedem Hörer Mut und Kraft gibt.
Live auf Tour: hier klicken, um herauszufinden, wann Raphaela Gromes und das Nationale Symphonieorchester der Ukraine das nächste Mal spielen